Die Bauliche Veränderung……! Barrierefreiheit im Wohnungseigentum??????
…… ist immer wieder ein Thema das Eigentümergemeinschaften nachhaltig beschäftigt.
Warum eigentlich?
Bauliche Veränderungen i.S.d. § 22 Absatz 1 WEG sind Maßnahmen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen. Diese können beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer dessen Rechte durch die Maßnahme beeinträchtigt werden, zustimmt.
Na prima – dann kann ja nichts passieren. Wenn man sich nicht einigt, dann bleibt eben alles so wie es ist. Auch gut!
Tatsächlich?
Kann es förderlich und zuträglich sein, dass ein uneinsichtiger Eigentümer eine objektiv sinnvolle Maßnahme blockiert?
Nun kommt es ja auch noch darauf an, ob die Maßnahme für den Bauunwilligen einen Nachteil darstellt. Wie kann sich ein solcher Nachteil manifestieren? Abzustellen ist darauf, ob ein „neutraler Dritter“ die Veränderung als Beeinträchtigung empfinden kann.
Davon wird man ausgehen müssen, wenn der optische Gesamteindruck der Wohnanlage oder des Gebäudes verändert wird. Ebenso, wenn dem Miteigentümer das Recht auf Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums entzogen wird. Möchte also der Sonnenanbeter aus dem Erdgeschoss sich auch noch abends bräunen und erweitert das ihm zustehende Sondernutzungsrecht dadurch dass er Gemeinschaftsflächen großzügig neu einzäunt………geht das sicher nicht!
Ähnlich verhält es sich mit dem immer wieder gerne in Treppenhäusern aufgestellten Schuhschränken oder Garderoben. Auch hier werden die übrigen Eigentümer von der Nutzung der „Treppenhausfläche“ ausgeschlossen. Von dem reizvollen optischen Eindruck eines gut bestückten Schuhschrankes gar nicht zu reden.
Als Nachteil sind auch Immissionen zu werten, d.h. Geruchs- oder Lärmbelästigungen sowie der Entzug von Luft und Licht. Das ist leicht vorstellbar, wenn der neu einzubauende Aufzug direkt am Schlafzimmer vorbeiführen würde…..oder die Wohnungen mit wunderbaren Kaminen ausgestattet werden sollen, deren Abgase aber einigen Terrassen Dauernebel bescheren würden……und wer hat schon gerne ein Mobilfunkantenne neben dem Balkon…..
Auch wenn die Maßnahme in die Statik des Gebäudes eingreift und hierdurch eine gewisse Substanzgefährdung zu befürchten ist, kann dies einen Nachteil darstellen. Wenn also der Sonnenanbeter, der in den Bereich seines Sondernutzungsrechts zurückverwiesen wurde, dann seine Wohnung gegen eine Dachgeschosswohnung ersetzt, dort aber einen Dacheinschnitt zwecks Sonnenterrasse plant……..
Nun kann der Fall aber auch anders liegen.
Was soll geschehen, wenn ein Miteigentümer schwerbehindert ist und technische Hilfsmittel erforderlich werden?
Wie kann die Barrierefreiheit im Wohnungseigentum gewährleistet werden?
Gehbehinderte Personen die nicht im Erdgeschoss wohnen werden vor ein großes Problem gestellt.
Treffen kann es jeden Miteigentümer; sei es, dass die Gehbehinderung Folge einer nach Kauf der Wohnung eingetretenen Erkrankung ist - sei es, dass Eigentümer in ihrer Wohnung einfach nur alt geworden sind.
Abhilfe kann oft nur durch den Einbau eines Treppenlifts oder gar eines Außenaufzuges geschaffen werden. In beiden Fällen handelt es sich unstreitig um bauliche Veränderungen:
Also müssen alle Eigentümer zustimmen????
Versagt auch nur einer diese Zustimmung - muss der Behinderte eben ausziehen????
Was soll´s?!?
Wie weit ist es denn her mit dem in Art. 3 Absatz3 Satz 2 formulierten Benachteiligungsverbot behinderter Menschen? Findet es seine Grenze schon im Wohnungseigentumsrecht?
Nein!!!!! Jedenfalls nicht so einfach!
In diesem Fall sind die gegenseitigen Interessen der Beteiligten abzuwägen. Es kommt zunächst darauf an, wie die an sich mögliche Maßnahme in die Gebäudesubstanz eingreift würde und ob das nach § 14 Nr.1 WEG hinzunehmende Maß der Beeinträchtigung überschritten wird. Dem gegenüberzustellen ist das Interesse des Behinderten auf barrierefreien Zugang zu seiner Wohnung.
Erfordert der Aufbau eines Treppenlifts z.Bsp. den Einbau weiterer Stützen oder Träger im Treppenhaus und wird die Nutzung für die übrigen Bewohner hierdurch massiv erschwert oder teilweise unmöglich, so wird der Behinderte keinen Anspruch auf Duldung haben. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn er seine Wohnung zwar unter größten Mühen, aber mit fremder Hilfe erreichen kann.
Sitzt der Behinderte im Rollstuhl kann er seine Wohnung nur mit Hilfe eines Aufzuges erreichen.
Der Anbau eines Außenaufzuges verändert das äußere Erscheinungsbild des Objektes und führt dazu, dass ein kleiner Teil der Außenanlage nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden kann. Weitere Nachteile wie Gebrauchsbeeinträchtigungen entstehen den restlichen Eigentümern in der Regel nicht. Gegeneinander abzuwägen sind daher: die Tatsache dass der Behinderte seine Wohnung nicht mehr erreichen kann gegen eine optische Veränderung der Immobilie. Vieles spricht dafür die Interessen des Behinderten in diesem Fall höher zu bewerten.
Abschließend ist zu bedenken, dass es sich bei jeder Interessenabwägung grundsätzlich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Wann ein Anspruch des Bedürftigen auf Duldung baulicher Maßnahmen gegenüber den anderen Eigentümern besteht lässt sich nicht definieren. Es ist jedoch die Tendenz zu erkennen, das Bedürfnis eines Gehbehinderten seine Wohnung zu erreichen, höher zu bewerten als eine negative rein optische Veränderung des Gebäudes.