- die aktuelle Verordnungslage in NRW
- die Rechtslage für die Durchführung von „Vertreterversammlungen“ und
- die Rechtslage für die Durchführung von „Online-Versammlungen“.
1. Aktuelle Fassung der Corona-Schutzverordnung NRW zum Thema Versammlungen
In NRW sind Versammlungen grundsätzlich noch untersagt. Die „Dritte Verordnung zur Änderung von Rechtsverordnungen zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 6. Mai 2020“ ergänzt jedoch die vom Versammlungsverbot erteilten Befreiungen um das Wort „Gemeinschaften“.
§ 11 der Corona-Schutzverordnung NRW lautet damit in der seit dem 07.05.2020 geltenden Fassung wie folgt:
§ 11 Veranstaltungen und Versammlungen, Gottesdienste, Beerdigungen
- Großveranstaltungen im Sinne von Absatz 4 bleiben bis mindestens zum 31. August 2020 untersagt.
- Alle anderen Veranstaltungen und Versammlungen bleiben bis auf weiteres untersagt, soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.
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(5): Abweichend von Absatz 2 Satz 1 zulässig sind....
2. Sitzungen von rechtlich vorgesehenen Gremien öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Institutionen, Gesellschaften, Gemeinschaften, Parteien oder Vereine.
Dabei sind geeignete Vorkehrungen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 Metern (auch in Warteschlangen) sicherzustellen.
Haus & Grund NRW hat darüber informiert, dass die Ergänzung um das Wort „Gemeinschaften“ initiiert wurde, um Tagungen der Gremien von Wohnungseigentümergemeinschaften (Beirat und Eigentümerversammlungen) wieder zu ermöglichen.
Wir halten diese in Zusammenhang mit dem Wort „Sitzungen“ erfolgte Ergänzung aber nicht für eindeutig genug, um darauf die Einberufung jedenfalls größerer Eigentümerversammlungen zu stützen. Dabei denken wir auch an Reaktionen solcher Eigentümer, die der Teilnahme an Eigentümerversammlungen während der Corona-Pandemie ablehnend gegenüberstehen.
Wir werden daher in Hinblick auf die erkennbaren Lockerungstendenzen, noch etwas abwarten, bis eindeutige Lockerungen auch für (Eigentümer)Versammlungen ausgesprochen werden. Hessen hat zum Beispiel angekündigt, dass bereits ab dem 09.05.2020 Versammlungen für bis zu 100 Personen wieder zulässig sein sollen. Dabei sind aber die normalen Schutzvorschriften einzuhalten, was bedeutet, dass neben ausreichend Platz zwischen den Teilnehmern auch entsprechende Vorkehrungen für die Warteschlange, die Eintragung in die Anwesenheitsliste etc. zu treffen sind. Das wesentliche Problem wird daher auch nach Inkrafttreten konkreter Lockerungen die Lösung der Raumfrage sein.
Einige Kollegen meinen eine Lösung in sog. „Vertreterversammlungen“ gefunden zu haben und laden dabei unter Hinweis darauf, dass die Eigentümer nicht an der Versammlung teilnehmen sollen/dürfen zu Eigentümerversammlungen ein und bitten die Eigentümer dem Verwalter oder einem anderen Vertreter der Eigentümer eine Vollmacht auszustellen. Wir halten ein solches Vorgehen für äußerst risikoreich, da solche Versammlungen sicherlich grundsätzlich anfechtbar sind.
Nachfolgend fassen wir die Rechtslage für die Durchführung von Eigentümerversammlungen von „Vertreterversammlungen“ zusammen. Solche Versammlungen kommen nicht nur während der Andauer von Versammlungsverboten, sondern auch nach deren Lockerung in Betracht, weil sie dazu beitragen, die Zahl der Teilnehmer zu verringern und die erforderlichen Schutzmaßnahmen umsetzen zu können:
2. Die Rechtslage bei „Vertreterversammlungen“
§ 23 WEG sieht vor, dass Beschlüsse der Wohnungseigentümer in einer Versammlung gefasst werden; das Gesetz geht grundsätzlich von einer Präsenzversammlung, also der persönlichen physischen Teilnahme der Eigentümer an einer Versammlung, aus.
Eine Präsenzversammlung kann aber auch in Form einer Ein-Mann-Versammlung (nur der Verwalter) oder nur mit ausgewählten Vertretern (Vertreterversammlung) stattfinden, da es zu einer gültigen Beschlussfassung keiner Zusammenkunft mehrerer Personen bedarf.
Es gibt kein gesetzlich geregeltes „Mindestquorum“ physisch anwesender Wohnungseigentümer; die Beschlussfähigkeit der Wohnungseigentümerversammlung wird auch bei Vorliegen einer ausreichenden Anzahl von Vollmachten erreicht. So könnte die Teilnehmerzahl auf das landesrechtlich erlaubte bzw. räumlich realisierbare Maß reduziert werden.
Das in der Praxis bedeutsame Problem liegt aber darin, dass kein Eigentümer zur Erteilung einer Vollmacht verpflichtet werden kann. Zu den unentziehbaren Teilhaberechten zählt insbesondere das Recht auf persönliche Teilnahme an einer Wohnungseigentümerversammlung und das Stimmrecht. Eigentümer dürfen daher nicht „ausgeladen“ und/oder zur Erteilung einer Vollmacht genötigt werden.
Die Eigentümer sollten daher um Übersendung einer (ggfs. weisungsgebundenen) Vollmacht „gebeten“ werden; der Verwaltungsbeirat könnte die vom Verwalter erbetene Vollmachtserteilung in persönlichen Gesprächen / Telefonaten mit einzelnen Eigentümern ergänzend erläutern und die Bereitschaft zur Abgabe unterstützen.
Ferner bietet es sich an, die Tagesordnung mit ausführlichen Erläuterungen und konkreten Beschlussvorschlägen zu versehen, um die Erteilung (weisungsgebundener) Vollmachten zu ermöglichen. Die Tagesordnung sollte sich auf wesentliche Entscheidungen beschränken, umgekehrt aber nicht so verkürzt werden, dass innerhalb kurzer Zeit wieder eine Eigentümerversammlung erforderlich wird.
Sofern sich im Vorfeld der Versammlung durch einzelne Wohnungseigentümer bereits Bedenken gegen eine solche „Vertreterversammlung“ geäußert werden, nehmen wir diese sehr ernst und werden dann solche Vertreterversammlung wegen des vorbeschriebenen Risikos nicht durchführen. Ein anderes Handeln führt aus unserer Sicht nur zu unnötiger Rechtsunsicherheit und provoziert vermeidbare Rechtsstreitigkeiten.
3. Die Rechtslage bei „Online-Versammlungen“
Eine „Online-Versammlung“ stellt ebenfalls keine Lösung dar, sie ist weder jetzt noch in der zurzeit im Bundestag beratenen WEG-Novelle vorgesehen. Selbst das bereits zitierte „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ sieht insoweit keine Erleichterungen vor und gestattet Online-Versammlungen nur für Aktionärsversammlungen. Eine Online-Versammlung ist nur zulässig, wenn sie ausnahmsweise (also mit Zustimmung sämtlicher Eigentümer) vereinbart ist.
Aktuell ist auch die in der WEG-Novelle vorgesehene Online-Teilnahme einzelner Wohnungseigentümer an einer Präsenzversammlung noch nicht zulässig. Hier könnte jedoch im Einzelfall teilnahmewilligen Wohnungseigentümern die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme an der Versammlung geboten werden. Bei dieser speziellen Vertreterlösung findet grundsätzlich – gesetzeskonform - eine Präsenzveranstaltung statt. Die nicht anwesenden Eigentümer werden durch den jeweils Bevollmächtigten (Miteigentümer / Verwaltungsbeirat, Verwalter) vertreten. Dieser Bevollmächtigte macht die Mitwirkungsrechte (Stimme, Antragsrechte, Rederechte) nach Weisung des nur online mitwirkenden Eigentümers geltend.
Anfechtungssicherer ist die Gestaltung, im Vorfeld einer Versammlung, also vor ihrem offiziellen Beginn, im Rahmen einer inoffiziellen Zusammenkunft der Eigentümer die nicht vor Ort anwesenden Eigentümer online bzw. im Wege einer Telefon- oder Videokonferenz zuzuschalten, mit diesen über die Themen zu diskutieren und dann weisungsgebundene Vollmachten für die im Anschluss stattfindende Präsenzversammlung einzuholen.
FAZIT:
Als Verwalter erleben wir den zurzeit durch die gesamte Gesellschaft verlaufenden Konflikt. Während ein Teil der Eigentümer die schnelle Durchführung der Eigentümerversammlungen einfordert, lehnt der andere Teil Versammlungen als gesundheitsgefährdend ab.
Da wir als Versammlungsleiter für die Einhaltung der Schutzvorschriften verantwortlich sind, werden wir, jedenfalls größere Versammlungen erst einberufen, wenn das Versammlungsverbot explizit gelockert wurde und die Einberufung auch erst dann vorzunehmen, wenn Räumlichkeiten gefunden wurden, die deren Einhaltung ermöglichen, was derzeit wegen der Beschränkungen auch nahezu unmöglich ist.
Einladungen zu Eigentümerversammlungen nach dem Prinzip der „Vertreterversammlung“ werden wir nur dann durchführen, wenn hier ein generelles Einverständnis besteht. Die Einladungen werden so formuliert sein, dass nicht teilnahmewilligen Eigentümern konkrete Angebote zur Vertretung unterbreitet werden.
Bleiben Sie gesund!
Ihr Team der Dr. Vossen & Partner GmbH